MTW Ausstellung in Wismar

„Packsack, Totholz, Kolibri – 70 Jahre Faltboote aus Wismar“

 

 

So eine Ausstellung gab es in Deutschland bislang nur einmal: anlässlich ihres 90. Gründungsjubiläums stellte das Heimatmuseum Bad Tölz (Bayern) 2015 die Geschichte Pionier-Faltbootwerft vor.

 

Nun wurde eine zweite Werft geehrt: das PhanTechnikum Wismar präsentierte fast ein Jahr lang, vom 21. April 2024 bis zum 9. März 2025, die in der hiesigen Matthias-Thesen-Werft gebauten Faltboote. Das Museum ist stolz, alle in Wismar gebauten Faltboot-Typen in einer Ausstellung gezeigt zu haben.

 

Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung

 

1954 begann die Matthias-Thesen-Werft Wismar (kurz MTW), auf der sonst Passagierschiffe und Fischdampfer vom Stapel liefen, mit dem Bau von Faltbooten.
Auf die Mehrzweckjolle „Delphin“ folgte die Faltbootserie „Kolibri“, die in zehntausenden Exemplaren die Flüsse und Seen der DDR und der angrenzenden sozialistischen Länder bevölkerte. Viele tausend Faltboote aus Wismar fahren dort noch heute.

 

An der Wand aufgereiht: Die beliebten Faltboote aus Wismar

 

Neben dem sagenumwobenen Falt-Tragflächenboot, das 1961 mit einem 7,5-PS-Motor eine Geschwindigkeit von 50 km/h erreichte (und damit den Grenzschutzbooten davongefahren wäre) bildete der 1961-63 produzierte einzige Falt-Katamaran der Welt den Mittelpunkt der Ausstellung. Mit 6,70 m Masthöhe passte der 200 kg schwere „Scalare 250“ nur in die Flughalle und stellte dort die Fotografen vor eine anspruchsvolle Aufgabe.

 

  Der einzige Faltkatamaran der Welt: Der Skalare 250

 

In dreieinhalb Jahrzehnten entstanden insgesamt etwa 75.000 Faltboote in Wismar, vom 1954 vorgestellten „Delphin 110“ bis zum 1989 präsentierten „Kolibri Tramp“. Mit der deutschen Vereinigung 1990 kam das Ende der Mathias-Thesen-Werft und damit auch das Ende des Faltbootbaues. 1992 nähten ehemalige Mitarbeiterinnen während einer ABM-Maßnahme Schürzen aus den letzten Kunststoffplanen.

 

 

Für die Werkschau scheute das Kuratorium weder Kosten noch Mühe. Die Suche nach einzelnen Exponaten glich mühsamer Kleinarbeit. Besonders schwierig war die Ermittlung der Bootsmaße, Fahreigenschaften und Baunummern, da ein Großteil des Werksarchivs nach 1990 auf den Müll geworfen wurde.

 

Umso wichtiger war die Befragung noch lebender Mitarbeiter und die Zuarbeit von Kajakspezialisten. Der Verein „Freunde historischer Faltboote e.V.“ hatte an der Vorbereitung der Ausstellung einen entscheidenden Anteil.

Die Mitglieder halfen mit ihrem Fachwissen und spendierten zahlreiche Bauteile. Sie steuerten einen Großteil der Bootsbeschreibungen und der technischen Angaben bei; auch die Ausstellung zur Campingkultur der DDR der 1960er bis 80er Jahre stammte aus ihren Beständen. Einige Spezialisten übernahmen es, mehrere Tage lang den Großteil der Boote fachgerecht aufzubauen.

Die Freunde historischer Faltboote bauen die Ausstellungsstücke auf

 

Vier Schwerpunkte setzte die Ausstellung. Im Parterre ging man an den einzelnen Typen der „Kolibri“-Faltboote vorbei, konnte ihren Bau und ihre Werksdaten vergleichen. Im Obergeschoss waren sämtliche Varianten des Mehrzweckbootes „Delphin“ aufgebaut, mit dem man paddeln, segeln und Motorboot fahren konnte, dazu das in Wismar entwickelte „Faltruderboot“. Nebenan stand eine Campingausrüstung mit Zelt, Luftmatratze, Schlafsack und Kochgeschirr, wie sie in den farbenfrohen 1970er Jahren üblich war; sowohl „Delphin“ als auch „Kolibri“ hatten genug Stauraum, um alles unterzubringen.

 

 Farbenfrohe Campingausrüstung

 

Die Krönung aber war der Faltkatamaran „Scalare 250“ in der Lufthalle, das größte je gebaute Faltboot der Welt. Mit seinen zwei Rümpfen und dem 6 m² großen, bewohnbaren Deck bildet das 5 m lange und 2,50 m breite Boot den Höhepunkt des Faltbootbaues. Mit seinen 12,8 m² Großsegelfläche plus 18 m² Spinnaker kann es auch bei leichtem Wind mit Segelyachten mithalten. Seine wahre Größe erlebte man, wenn man es sowohl vom Parterre als auch von der Galerie betrachtet.

 


Die Freunde historischer Faltboote bauen den riesigen Scalare auf

 

Die Ausstellung wäre nicht möglich geworden ohne die Mitwirkung des Vereinsmitglieds Jörg Callehn, der über viele Jahre hinweg sämtliche in der MTW-Werft entwickelten Faltbootmodelle sammelte. Für die Ausstellung stellte er seine Sammlung dem Museum kostenlos zur Verfügung. Herzlichen Dank an Jörg Callehn von den „Freunden historischer Faltboote“ e. V.

 

  Der MTW-Sammler und Leihgeber Jörg Callehn mit einem Delphin 140

 

Impressionen der Ausstellung:

 

    Camping Ausrüstung

   Das Publikum

 

Aufbau der Boote

 

  Aufbau der Boote

 

Daraus wird ein Kolibri Faltboot entstehen

 

 Historisches Plakat der Ostzonenmeisterschaft Sommer 1948

 

Tragflächenboot

 

 Aufrechter Blickfang

 

 

Artikel: Gernot Näser
Photos: Ralf Petsching, Gernot Näser

Digitale Umsetzung: Michael Ertl